Wir leben nach wie vor im Patriarchat, also in einer Gesellschaft, in der der Mann
eine übergeordnete Rolle einnimmt. Andere Geschlechter und Geschlechtsidentitäten
erleiden seit jeher Unterdrückung und sind nicht annähernd gleichberechtigt. Zwar
zeichneten sich über die letzten Jahrzehnte punktuell Besserungen ab, insgesamt geht
der Prozess der tatsächlichen Gleichberechtigung aber in einem Tempo voran, was für
uns als linken Jugendverband nicht hinnehmbar ist.
Patriarchales Verhalten wird durch die männliche Sozialisierung in der Gesellschaft
gefördert und bereits vom Kindesalter an werden Cis-Jungen anders erzogen als Kinder
mit anderem Geschlecht. Diese Sozialisierung ist in Cis-Männern tief verankert. Auch
vermeintlich reflektierte Männer weisen patriarchales Verhalten auf; in einer
Bandbreite von Mansplaining bis hin zu Handlungen gegen die sexuelle
Selbstbestimmung einer anderen Person. Dieses Verhalten macht auch vor der
Mitgliedschaft in einem linken Jugendverband nicht Halt.
Es muss unser Anspruch sein, den Feminismus, den wir uns auf die Fahnen & in die
Satzung geschrieben haben, auch umzusetzen. Wir können gesellschaftliche Probleme
nicht ernsthaft kritisieren oder bekämpfen, wenn wir das nicht einmal in unserem
eigenen Verband schaffen.
Die bisherige Praxis sorgt meist dafür, dass FLINTA* Personen männlich sozialisierte
Mitglieder auf ihr Fehlverhalten hinweisen müssen und oftmals noch selbst
Täterarbeit leisten. Das schöpft Kapazitäten und macht die Fehler der Männer zur
Aufgabe der FLINTA* Personen, die ohnehin schon Opfer desselbigen sexistischen
Verhaltens werden. Diese Vereinspraxis ist einem tatsächlich feministischen und
solidarischen Umgang mehr als fern.
Der Landessprecher:innenrat wird daher mit folgenden Aufgaben betraut:
Prävention: Geschlechtsbewusstseinsseminare In einem regelmäßigen Abstand,
mindestens alle sechs Monate, soll landesweit ein
Geschlechtsbewusstseinsseminar stattfinden. Dieses richtet sich speziell an
männliche Mitglieder und schult, das eigene Verhalten tatsächlich zu
reflektieren, unbewusstes Fehlverhalten und patriarchale Denkmuster ins
Bewusstsein zu rufen und alltäglichen Sexismus direkt abzubauen. Das Seminar
soll von einer Fachperson durchgeführt werden. Der Landessprecher:innenrat und
die Basisgruppen sollen ihre Mitglieder aktiv dazu animieren, ein solches
Seminar zu belegen. Nach einem Seminar soll dieses in der Basisgruppe
nachbesprochen werden, damit auch die Männer einbezogen und in Verantwortung
gebracht werden, die nicht teilgenommen haben.
Reaktion: Täterarbeit Verschiedene Maßnahmen können bei patriarchalem Verhalten
in Betracht kommen. Für Mansplaining und Alltagssexismus ist ein Ausschluss
nicht unbedingt das richtige Mittel, besonders auch, weil die Probleme damit nur
in andere Kreise getragen werden. Der Landessprecher:innenrat soll ein Gremium
mit der Aufgabe betrauen, die Basisgruppen vor Ort nach patriarchalem
Fehlverhalten bei der Täterarbeit zu unterstützen. Hierzu gehört eine
strukturierte Gesprächsführung mit dem Täter und alle Maßnahmen, die darüber
hinaus individuell notwendig sind, um eine Besserung von patriarchalem Verhalten
und den Schutz von FLINTA* Personen im Verband zu erzielen. Die Basisgruppen
sollen außerdem einen Leitfaden zum einheitlichen Umgang mit patriarchalen
Fehlverhalten an die Hand bekommen. Darüber hinaus muss jedes Mitglied sich
der Grundsätze unseres Vereins bewusst sein. Es ist die Aufgabe aller, gerade
der anderen Männer in einer Struktur, Fehlverhalten anzusprechen und einen Mann,
der patriarchales Verhalten aufweist, darauf aufmerksam zu machen. Die gängige
Stille und Ignoranz gegenüber sexistischen Fehlverhaltens und besonders der
Schutz von Tätern sind wesentliche Faktoren dafür, dass Alltagssexismus
überhaupt alltäglich werden konnte. Männliche Genossen stehen in der besonderen
Pflicht, das Fehlverhalten ihrer Genossen offen zu thematisieren und aktiv eine
Reflexion und Besserung voranzubringen. Männliches Fehlverhalten darf nicht
länger Aufgabe aller anderen Geschlechter sein! Unser Verband muss Vorbild für
ein feministisches und gleichberechtigtes Miteinander sein!